Freitag, 29. Juni 2012

Faschistischer Nudismus

" ... "Offen" und "ehrlich" und "mit tödlicher Sicherheit" "gesund": verschleiert wird nicht. Aber alles Leben aus den Körpern wird zum Verschwinden gebracht; alles Individuelle und besonders: alles individuelle Begehren muss an ihnen abprallen. Nur einem nämlich sollen sie Schönheit spiegeln und Verlangen repräsentieren - dem organischen Ganzen, der Volksgemeinschaft, legitimiert, die Grenzen der Intimität zu durchstoßen. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch keinen Grund, sich nicht zu entblößen; und selbstverständlich, als guter Deutscher, Gelegenheit, am voyeuristischen Blick auf die anderen teilzuhaben. Der faschistische Nudismus bündelt die Ressentiments gegen die geheimnisvolle, verführerische Oberfläche, die in der Verheißung selber die Lust zu ihrem Recht kommen lässt. Die Deutschen aber müssen der Sache auf den Grund gehen, weil sie die Zweideutigkeit aus Schönheit und Gefahr nicht ertragen, und wittern daher hinter jeder Inszenierung die Tarnung einer, erinnern wir uns an Hitlers deutliche Worte, krummbeinigen jüdischen Widerwärtigkeit. Die Wut, dass es nicht die inneren Werte sind, die das Begehren entfachen, sondern der Tand und der Glitter, der käufliche Duft und die unbeständige Mode, speist sich aus und kulminiert in der Wut auf die Ware selber. In der Lust am ungeschmückten Körper begegnet uns die schlechte alte Zivilisationsfeindschaft, die Verachtung der welschen Dekadenz wie der Hass auf Geld und Geist, auf Glück ohne Macht."

aus: "Subjekt (in) der Berliner Republik", initiative not a love song, Verbrecher Verlag Berlin, 2003

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen